Hohe Inflation erfordert hohe Zinsen. Diese Gleichung geht nicht lange auf. Warum die hohen Zinsen nicht von Dauer sind und warum wir einen geopolitischen Wandel erleben.
Wegen der anhaltend hohen Inflation mehren sich laut Handelsblatt Stimmen, die auch von einem lang andauernden hohen Zinsniveau ausgehen. Wir halten diese Einschätzung für fragwürdig. Einerseits gibt es keine naturgegebene Verbindung dazwischen. Andererseits sind angesichts der bereits angehäuften Schuldenberge hohe Zinsen gar nicht sehr lange durchzuhalten. Der Schuldendienst ist dann nämlich bald nicht mehr zu leisten (oder nur um den Preis noch höherer Inflation).
Die im laufenden Bundeshaushalt ausgewiesenen Zinszahlungen auf Bundesanleihen oder Schatz-briefe haben sich innerhalb von zwei Jahren auf 40 Mrd Euro verzehnfacht. Die als „Sondervermögen“ aus dem Haushalt ausgegliederten Schuldenlasten sind hier noch nicht berücksichtigt.
Noch dramatischer sieht die Lage in den USA aus. Hier beträgt der laufende Schuldendienst in 2023 bereits 640 Mrd US Dollar. Er wächst schneller als jeder andere Haushaltsposten. Das Haushaltsbüro des Kongresses rechnet damit, dass er innerhalb der nächsten drei Jahre sogar das Rüstungsbudget übersteigen wird. Folgerichtig haben die meisten Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit der USA bereits herabgestuft.
Auch wer nicht Volkswirtschaft studiert hat, kann nachvollziehen, dass dieser Kurs in einen Teufels-kreis führt. Hohe Zinsen erhöhen die Verschuldung, damit das Ausfallrisiko und damit wiederum die Risikoprämie für weitere Schulden usw – ein Fass ohne Boden.
Zu den immensen Schulden und dem chronischen Haushaltsdefizit kommt in den USA noch ein Han-delsbilanzdefizit von jährlich rund 1 Billion Dollar. Jedes normale Land hätte angesichts dieser Zahlen bereits eine massive Währungsabwertung hinnehmen müssen. Die USA können sich einstweilen damit über Wasser halten, dass der Dollar noch als wichtigste Reservewährung fungiert.
Dass zunehmend weniger Länder bereit sind, diesen Zustand hinzunehmen, zeigt die Ankündigung des Beitritts u.a. von Iran und Saudi-Arabien zum BRICS-Bündnis. Die dort organisierten Länder arbeiten zielstrebig an eigenen Finanzinstituten zur Abwicklung internationaler Kredite und Handelsgeschäfte. Medial und militärisch mögen die USA noch unangefochtene Supermacht sein. Realwirtschaftlich haben sie die Führungsposition bereits abgeben müssen. Das hat früher oder später auch Auswirkungen auf das globale Finanzsystem.
Eine gute Seite hat die Schuldenkrise jedoch: Möglicherweise sind dann auch die Tage des Ukraine-Kriegs gezählt: wegen mangelnder Kreditwürdigkeit der beteiligten Parteien. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Hohe Zinsen werden jedenfalls nicht von Dauer sein. Sie führen zu einer beschleunigten Destabilisierung des Wirtschafts- und Finanzsystems.