Am 13. Juni stellte das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) den neuesten Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen vor. Er greift dabei eine von der europäischen Dachorganisation EuroSIF initiierte Neukategorisierung nachhaltiger Investments auf. Diese orientiert sich stärker als andere an konkreter Wirkungsmessung. Das soll die Gefahr des Greenwashings eindämmen und ein realistischeres Bild der Entwicklung ermöglichen. Wir nehmen dies zum Anlass, den Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen zum Schwerpunktthema zu machen.
Neue Investmentkategorien
Bei der neuen Methodik steht das Ambitionsniveau von Investments im Vordergrund, proaktiv zum Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft beizutragen. Unter „Ambition“ wird die Absicht verstanden, gewünschte positive Nachhaltigkeitseffekte in der Realwirtschaft zu erzielen. Die Eurosif-Methodik führt vier aufeinander aufbauende Investmentkategorien ein:
1) Basic ESG Investments
2) Advanced ESG Investments
3) Impact-Aligned Investments
4) Impact-Generating Investments
Bei Basic ESG Investments werden ESG-Faktoren über Ausschlüsse und Positivkriterien in den Anlageprozess integriert. Beim Advanced ESG schrunpft das Anlageuniversum dabei auf 80 Prozent oder weniger seiner ursprünglichen Größe. Zusätzlich findet eine Messung der ESG-Performance statt.
Eine weitergehende Impact-Performance-Messsung findet in der nächsten Kategorie statt. Es wird also auf Unternehmen fokussiert, die einen messbaren Impact hinsichtlich definierter ESG-Ziele haben.
Die Impact-Generating Investments müssen darüber hinaus die direkte Wirksamkeit der Investition nachweisen. Es ist quasi der Gold-Standard nachhaltiger Investments.
Die Erhebung dieser neuen Kategorien erfolgt zusätzlich zu den bisherigen, um weiterhin eine gewisse Vergleichbarkeit der Daten sicherzustellen.
Schrumpfende Nachfrage trotz wachsendem Fondsvolumen
Das FNG verweist zunächst auf Zahlen des Fondsverbandes BVI, um ein weiteres Wachstum nachhaltiger Geldanlagen zu belegen. Tatsächlich ist dafür – wie wir bereits im letzten Jahr kritisch angemerkt haben – wohl eher eine Umetikettierung konventioneller Fonds verantwortlich. Die eigenen Zahlen des FNG deuten dagegen eher in eine andere Richtung: 2023 war das erste Jahr, in dem nicht nur kein Wachstum sondern sogar ein leichtes Schrumpfen zu verzeichnen war. Die Behauptung, dies habe lediglich an einem Wechsel bei den berichtenden Unternehmen gelegen erscheint im Hinblick auf Umfragen zum Interesse an nachhaltigen Produkten wenig überzeugend.
Im Bankensektor waren Kundeneinlagen weniger vom Abschwung betroffen als die Eigenanlagen der Banken selbst. Letztere halbierten sich fast, während die Einlagen sich nur um etwa zehn Prozent verringerten.
Mit über 50 Mrd Euro war der Schrumpfungsprozess bei nachhaltigen Publikumsfonds am stärksten. Zugenommen haben dagegen Spezialfonds und institutionelle Mandate. Ansonsten wäre ein Vergleich zum vergangenen Jahr womöglich noch deutlich markanter ausgefallen. Dieser Rückschlag mag das Marketing erschweren. Ohne klaren Blick auf die Realität wird sich aber keine angemessene Lösung finden.
Hintergründe und Abgründe
Aus unserer Sicht war dieser Abschwung eine Reaktion auf das für nachhaltige Anlagen besonders kritische Jahr 2022. Die geopolitische Konfrontation war der Ausgangspunkt für eine Renaissance konventioneller Energie- und Rüstungstitel. Marktbeherrschende Digitalkonzerne und deren Zulieferer gehörten ebenfalls zu den Gewinnern an den Börsen.
Das alles wurde allerdings nicht zuletzt um den Preis einer exzessiven Schulden- und Subventions-politik erkauft. Viele Schwellenländer entziehen sich allerdings erfolgreich einer Neuauflage des kalten Krieges. Auch in Europa erstarken politische Bewegungen, die sich auf eigene Souveränität besinnen. Dies allein als Rechtsruck zu interpretieren wäre ein fataler Fehler.
Wer nüchtern Bilanz zieht, muss zugeben, dass seit der militärischen Intervention in Jugoslawien 1999 die Mehrzahl völkerrechtswidriger Kriege von westlicher Seite ausgingen. Von der Anzahl der Opfer solch aggressiver Geopolitik nicht zu schweigen. Es könnte gut sein, dass dieser Überdehnung des US-amerikanischen Dominanzanspruchs auch in wirtschaftlicher Hinsicht bald eine Phase der Ernüchterung folgt und eine Besinnung auf die Vorzüge aufrichtiger Entspannungspolitik. Dann dürfte sich auch das Pendel für nachhaltige Geldanlagen wieder in die andere Richtung bewegen.
Der Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen kommt auf Seite 20 zum Ergebnis, dass der Anteil an anspruchsvollen Impact-aligned Investments bei den konventionellen Fonds (die gemäß EU-Offenlegungsverordnung keine ESG-Strategie verfolgen) mit knapp 60 Prozent dominiert. Der Anteil bei Artikel-8-Fonds, die ökologische bzw. soziale Aspekte bei der Auswahl ihrer Anlageziele berücksichtigen, liegt dagegen bei unter 40 Prozent.
Nichts illustriert die Abgründe bürokratischer Verordnungen stärker als dieser Befund. Es ist allerdings auch nicht ganz auszuschließen, dass dies an Schwächen der EuroSIF-Methodik liegt. Wir werden das weiter aufmerksam verfolgen.