Steigende Nachfrage und wachsendes Angebot an Fonds sorgen dafür, dass Nachhaltigkeitsratings ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Also werfen wir einen Blick auf die Produktbewertungen
Einwände
Immer noch kursiert unter manchen Verfechtern einer „freien Marktwirtschaft“ das Dogma, dass ethische Aspekte bei wirtschaftlichen oder finanziellen Entscheidungen stören.
Demnach verzerren entsprechende Interventionen eine effiziente Verteilung knapper Ressourcen. Diese Annahme verkennt, dass Wirtschaft nicht nur aus Preisen und Zinssätzen besteht. Wirtschaft und Handel ist soziale Interaktion und unterliegt somit auch sozialen und ethischen Maßstäben. Die Externalisierung von Folgekosten wirtschaftlichen Handelns verfälscht zudem die Preise. Damit diese ihre Steuerungswirkung im Sinne des Gemeinwohls entfalten können bedürfen sie korrigierender Eingriffe.
Dass entsprechende Prozesse nicht immer schnell verlaufen steht auf einem anderen Blatt. Die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen lässt sich nicht allein am Tempo beurteilen. Sie müssen vor allem nachhaltig sein.
Ohne allzu tief in eine wirtschaftstheoretische Diskussion einzusteigen, können wir uns hier mit der Feststellung begnügen, dass Nach-haltigkeitsratings eine wachsende Nachfrage befriedigen.
Konsens
Da die Ergebnisse entsprechender Ratings oder Siegel bei unterschiedlichen Anbietern auch unterschiedlich ausfallen, steht gelegentlich der Vorwurf der Willkür im Raum. Allerdings soll es auch bei Rechtsstreitigkeiten gelegentlich zu unterschiedlichen Auffassungen der Gerichte kommen, ohne dass der Vorwurf mit vergleichbarer Vehemenz vorgetragen wird.
Jedenfalls lässt sich feststellen, dass auch konventionelle Anbieter von Finanzprodukten sich der Nachhaltigkeitsbewertung nicht mehr entziehen können. Es gibt also eine Art Konsens darüber, dass Nachhaltigkeit bzw. sogenannte ESG-Kriterien integraler Teil von Bewertungsprozessen sind. Im Übrigen gibt es seit der Einigung auf Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen auch einen globalen Konsens über Nachhaltigkeitsthemen. Wir können also die grundsätzlichen Einwände gegen Nachhaltigkeitsbewertungen getrost als obsolet betrachten.
Bewertungen hinterfragen
Nun ist durchaus sinnvoll, die Art und Weise der Bewertung zu hinterfragen, denn einerseits gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede. Weiterhin offenbaren sich auch Umbrüche bei den Ratingagenturen.
Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit hat sich bei den auf Nachhaltigkeit spezialisierten Ratingagenturen in den letzten zehn Jahren ein deutlicher Umbruch vollzogen.
Umbrüche
Viele Ratingagenturen, die vor Jahren als kleine, unabhängige Unternehmen gestartet sind befinden sich heute direkt oder indirekt im Besitz großer Aktiengesellschaften. Die meisten sind bei einer der etablierten Finanz-Ratingagenturen gelandet. Andere, etwa die frühere oekom research aus München, über Zwischenstationen bei der Deutschen Börse.
Der Fachinformationsdienst Öko Invest sieht diesen Trend zur Oligopolisierung ebenso kritisch wie viele unabhängige Berater*innen.
Denn dadurch verschiebt sich der Blick auf die Unternehmen zunehmend weg von einer echten Nachhaltigkeitsbewertung hin zu einer compliance-lastigen Risikobewertung, bei der vor allem Reputationsthemen in den Blick genommen werden.
Qualität der Ratings
Hat sich die Qualität der Ratings durch den Umbruch generell verschlechtert? Das können wir bislang nicht feststellen. Dennoch ist die Konzentrationstendenz durchaus problematisch.
Durch die Pflicht von Aktiengesellschaften zum Nachhaltigkeitsreporting wird der Prüfungsaufwand zwar reduziert. Dennoch kostet gutes Rating Zeit und Geld. Der durch Niedrigzinsen erzeugte Kostendruck macht auch konsistenten Anbietern zu schaffen. Verbraucherschutzverbände verstärken durch einseitige Fokussierung auf Fondskosten zusätzlich eine geiz-ist-geil-Mentalität. Das geht tendenziell zu Lasten der Researchqualität.
Es ist deshalb sinnvoll, immer mehrere Bewertungen heranzuziehen, um ein Produkt zu bewerten. Außerdem sollten Anleger*innen vorsichtshalber immer auch noch mal einen Blick auf die Einzeltitel werfen. Die Datenbank von Fair Finance bietet hier eine gute, wenn auch nicht vollständige Basis.
Kommt bald das Impact-Rating?
Die Frage des Impact, also welchen Beitrag Investments tatsächlich zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, ist für viele Anleger* innen von großem Interesse. Die Messbarkeit ist jedoch wesentlich komplexer als die Überprüfung von Ausschlüssen oder einzelnen Leistungsindikatoren wie CO2-Ausstoß oder Ressourcenverbrauch. Mit einem bloßen Verweis auf Ziele der Vereinten Nationen ist es noch nicht getan. Ein konsistentes Impact-Rating ist deshalb kurzfristig kaum zu erwarten, jedenfalls aber eine Erweiterung des Blickwinkels.