kurz vor Jahresende hat die Republik Südafrika beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Anzeige gegen den Staat Israel erstattet. Seit gestern steht Israel wegen Genozid vor Gericht. Was vielen auf den ersten Blick übertrieben erscheint ist auf 84 Seiten der Anklageschrift sehr gut begründet und belegt.
Wie der anerkannte US-amerikanische Politologe John J. Mearsheimer auf seinem Blog ausführt, entspricht das, was in Gaza gerade passiert exakt der internationalen Definition von Genozid.
Die Anklage enthält dabei eine Fülle an Belegen, dass die Kriegsführung der israelischen Streitkräfte nicht nur unnötig viele zivile Opfer fordert. Der systematische Genozid ist demnach auch politisch gewollt.
Derweil müssen sich in Deutschland selbst jüdische Organisationen, welche das Vorgehen Israels scharf kritisieren, von hiesigen selbsternannten „Israel-Freunden“ über ethische Fragen belehren lassen. Schlimmer noch: Ihnen werden Fördermittel und öffentliche Räume gekündigt.
Auch westliche Überheblichkeit vor Gericht
Es ist dies Ausdruck eines verblendeten ethisch-moralischen Überheblichkeitsdenkens, welches auch in der Corona-Krise und beim Ukraine-Konflikt schon unsägliche Blüten getrieben hat. Die Einseitigkeit der Berichterstattung und der Mangel an Bereitschaft, Bedürfnisse anderer Konfliktparteien anzuerkennen und deren Argumenten zumindest anzuhören, setzt sich hier fort.
Am Ende steht, dass dieses Land erneut mitschuldig wird an Kriegsverbrechen und Völkermord ohne dass es sich dessen bislang richtig bewusst wird. Viele haben noch immer nicht begriffen, dass ein Großteil der Welt mit den selbstgerechten Phrasen westlicher Politiker (w/m) nichts anfangen kann. Die meisten Länder sehen darin genau das, was es ist: Begleitmusik zu einer lediglich auf geopolitische Eigeninteressen gerichteten Machtpolitik.
Nachhaltige Entwicklung sieht anders aus. Sie erkennt an, dass in einer zunehmend multipolaren Welt Eigeninteressen mit der Anerkennung der Bedürfnisse anderer untrennbar verknüpft sind. Es gibt keine Sicherheit auf Kosten der Sicherheitsbedürfnisse anderer. Es wird auf Dauer auch keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung geben ohne Bemühungen um eine friedliche Beilegung von Konflikten.
Was wir in den letzten beiden Monaten des vergangenen Jahres an Börsenhype erlebt haben, wird ein spekulatives Strohfeuer bleiben, wenn es nicht bald mit substanziellen Verständigungsbemühungen unterlegt wird. In Den Haag steht nicht nur Israel vor Gericht, sondern auch die Selbstgerechtigkeit westlicher Industrieländer.