Die Eskalation des Nahost-Konfliktes kann zu einem Flächenbrand werden, der die ganze Welt erfasst. Wir dürfen die politische Bühne nicht den verbalen Extremisten überlassen. Die Friedensstimmen müssen lauter werden.
Selten dürften geopolitische Ereignisse einen so großen Einfluss auf die Kapitalmärkte gehabt haben wie in diesem Jahr. Man muss schon bis in die 70er Jahre zurückgehen. Als Kinder sind wir damals an autofreien Sonntagen mit dem Fahrrad über die Autobahn geradelt. In meiner Erinnerung eine fast unbeschwerte Zeit. Wirtschaftlich war sie allerdings für viele Menschen mit großen Existenzängsten verbunden. Hohe Inflation und drastisch steigende Arbeitslosigkeit waren die Begleiterscheinungen der ersten Ölkrise in Folge des Yom-Kippur-Krieges.
Fast exakt 50 Jahre später flammte der Nahost-Konflikt zwischen israelischer Besatzungsmacht und palästinensischer Widerstandsbewegung erneut in heftiger Weise auf. Brutalität und Rücksichtslosigkeit finden sich auf beiden Seiten. Dem Blutzoll welche die Hamas-Kämpfer in ihrem bislang größten Angriff verursachten steht die nicht minder zu verabscheuende Bombardierung von Wohngebäuden und ziviler Infrastruktur gegenüber und eine Totalblockade von Wasser, Strom und Lebensmitteln: Eine Strategie, die sich ohne Übertreibung als Vernichtungskrieg mit Merkmalen eines Genozids bezeichnen lässt, wie Prof. Norman Finkelstein oder der Sohn eines israelischen Generals, Miko Peled feststellen. Nicht weniger als die Auslöschung der „menschlichen Tiere“ hatte der israelische Verteidigungsminister Galant angekündigt.
Weder unprovoziert noch überraschend
Dabei sollte die bisherige Geschichte des Konflikts gelehrt haben, dass auch unverhältnismäßige Rachefeldzüge keinen Frieden erzwingen können, sondern nur noch mehr Leid und Hass säen. Vor allem übersehen die Apologeten einer „harten Reaktion“, dass die palästinensische Seite kaum mehr etwas zu verlieren hat. Das Leben im Gazastreifen war schon zuvor von Massenelend geprägt und eher mit einem Freiluftgefängnis als mit einer autonomen Region vergleichbar. Weder war der brutale Ausbruch aus dem Gaza unprovoziert noch kam er wirklich überraschend, wie der frühere US-Waffeninspekteur Scott Ritter in einem ausführlichen Resümee treffend bemerkt.
Die Folgen der erneuten Eskalation, an der beide Seiten maßgeblich beteiligt sind, werden uns angesichts der schon bisher labilen wirtschaftlichen Situation möglicherweise sogar noch deutlich stärker treffen und länger begleiten als in den 70er Jahren. Selbst zweckoptimistische Kapitalanlage-gesellschaften haben sich von der Hoffnung auf eine Jahresendralley an den Wertpapiermärkten verabschiedet. Kursverluste – insbesondere auch für konsistente Nachhaltigkeitsfonds – dürften jedoch aktuell unsere geringste Sorge sein. Denn der Krieg gefährdet nicht nur unsere Geldanlage. Wir dürfen die politische Bühne nicht den verbalen Extremisten überlassen. Die Friedensstimmen müssen lauter werden, damit der Flächenbrand nicht die ganze Welt erfasst.