Eine aktuelle Studie von Finanzwende e.V. deckt auf, dass auch nachhaltige Fonds zunehmend in fossile Energien investieren. Dazu hat ein Tochterunternehmen des Vereins über zweitausend aktiv gemanagte und in Europa erhältliche Nachhaltigkeitsfonds untersucht. Hintergrund: im Zuge des Ukraine-Kriegs haben Kurse und Gewinne konventioneller Energiekonzernen enorm zugelegt. Damit gerieten grüne Fonds in eine Zwickmühle: Im Wettbewerb mit konventionellen Fonds zurückfallen oder die Anlagestrategie anpassen. Der Verein prangert zu Recht Greenwashing an. Der Vorwurf müsste aber eher gegen eine Politik gerichtet sein, die dieser Entwicklung Vorschub leistet. Greenwashing in Kriegszeiten ist das Ergebnis verfehlter Politik.
Studienergebnisse mit einem blinden Fleck
Die untersuchten Fonds wurden anhand der Sustainable Finance Disclosure Regulierung selektiert. Als im weitesten Sinne nachhaltig gelten demnach offene Investmentfonds, die von den Anbietern entweder nach Artikel 8 oder 9 dieser Verordnung eingestuft wurden. Diese breite Betrachtung ist nachvollziehbar. In der Praxis zeigt sich, dass die Zuordnung zum einen oder anderen Artikel wenig über die tatsächlichen Konsistenz der Anlagestrategie aussagt, also darüber ob Nachhaltigkeitskriterien konsequent verfolgt werden. Es ist deshalb sinnvoll die beiden Kategorien gemeinsam zu betrachten.
Dabei beschränkte sich die Studie auf aktiv gemanagte Fonds, um mechanische Änderungen auszublenden, die nur aufgrund von marktbedingten Änderungen der Gewichtung bestimmter Aktien entstehen. Die Analyse bildet zudem nur tatsächliche Zu- und Verkäufe ab, rechnet also den Effekt heraus, der sich ggf. durch unterschiedliche Auf- oder Abwertung verschiedener Aktien ergibt. Auch das macht Sinn. Entscheidend ist letztlich die relative Gewichtung von entsprechenden Aktien im Portfolio.
Die untersuchten Fonds investierten zwischen Dezember 2021 und 2022 940 Millionen US-Dollar zusätzlich in Aktien von Firmen im Bereich der fossilen Energien. Nur 138 Millionen US-Dollar gingen an Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf erneuerbaren Energien basiert. Die Portfolios seien dadurch zu etwa 8% CO2-intensiver geworden. Im Wesentlichen gab es eine Umschichtung von der IT-Branche und vom Finanzsektor hin zu traditionellen Energieunternehmen bzw. Versorgern. Erstere kamen wegen Rezessionssorgen unter Druck. Vor allem große europäische, amerikanische und indische Fossil-Multis profitierten von der Umschichtung.
Möglicherweise wäre das Ergebnis noch erschreckender, hätten die Autor*innen Investments im Rüstungsbereich (inklusive CO2-Bilanz) ebenfalls untersucht. Dazu gab es schon im vergangenen Jahr erschreckende Befunde des Finanzportals Citywire. Demnach waren etwa ein Drittel aller Nachhaltigkeitsfonds nicht nur im Rüstungsbereich investiert sondern sogar in besonders umstrittene Waffensysteme. Es wäre also naheliegend gewesen bei einer Studie „in Zeiten des Krieges“ auch dies etwas gründlicher unter die Lupe zu nehmen.
Fragwürdige Schlussfolgerung
So nachvollziehbar und realistisch die Ergebnisse der Untersuchung einerseits sind, so fragwürdig sind die Schlussfolgerungen der Autor*innen. Sie sehen das Problem nicht in dem durch eine konfrontative Politik ausgelösten Wettbewerbsnachteil für nachhaltige Unternehmen, sondern hauptsächlich im Greenwashing der Anbieter. Als Fazit wird in der Studie formuliert: „Um Greenwashing wirklich einzudämmen, braucht es klare und strenge Regeln für als „nachhaltig“ beworbene Anlageprodukte. Damit wäre sowohl Anleger*innen als auch vielen Fondsgesellschaften gedient.“
Viel näher liegt allerdings folgendes Fazit: Wenn die Politik nicht-nachhaltigen Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschafft, zwingt sie nachhaltig Investierenden massive Vermögensnachteile auf und fordert zudem Greenwashing geradezu heraus. Verbraucher*innen befinden sich letztlich in der gleichen Zwickmühle wie die Anbieter. Sie stehen nämlich vor der Frage, ob es sich lohnt, nachhaltig zu investieren, wenn sie dabei massive Nachteile bei der Wertentwicklung in Kauf nehmen müssen.
Untersuchungen deuten darauf hin, dass Investoren vor allem deshalb ihre Anlagestrategie ändern, um erheblichen Nachteile in der Performance zu vermeiden. Obwohl Greenwashing ein reales Problem darstellt tritt es in dem Moment in den Hintergrund, in dem Kriegspolitik zur einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für Nachhaltige Investmentfonds wird. Da helfen auch keine strengeren Regeln für nachhaltige Anlageprodukte.
Die Forderung nach Transparenz im Finanzbereich bleibt natürlich berechtigt. Die Studie belegt aber eher, dass politisches Greenwashing bzw. inkonsistente Politik zumindest im Moment das weitaus größere Problem darstellt. Das gesteht die Studie am Ende auch ein: „Die Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen, besonders durch Aktienfonds, ist für die Transformation begrenzt. Erheblich wichtiger sind für die nachhaltige Transformation politische Rahmenbedingungen“. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen stehen nicht nur einer nachhaltigen Transformation entgegen. Sie benachteiligen auch nachhaltige Investments. Daran besteht kein Zweifel.
Das große Aber
Es lässt sich einwenden, dass diese Politik durch den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands erzwungen wurde. Dies blendet allerdings die gesamte Vorgeschichte der Eskalation des Krieges aus. Politische Entscheidungsträger*innen haben viele Möglichkeiten einer friedlichen Lösung des Konfliktes verpasst. Nach dem Rückzug der Sowjetarmee aus Europa gab es zudem nicht wenige völkerrechtswidrige militärische Interventionen, die von den USA und der NATO ausgingen. Forderungen nach harten Sanktionen oder Waffenlieferungen in Kriegsgebiete gab es in diesem Kontext nicht. Letztendlich geht es nicht um Moral und Recht sondern um geopolitische Interessen.
Die friedliche Koexistenz unterschiedlicher Bevölkerungskreise in einem Land lässt sich nicht durch eine NATO-Integration erzwingen. Die Unwilligkeit, eigene politische Fehler in der Ukraine-Frage einzugestehen, insbesondere auch Friedensverhandlungen nicht nachdrücklich unterstützt oder gar hintertrieben zu haben, ist nicht mit einem Verweis auf Putins autoritären Regierungsstil zu rechtfertigen.
Die UdSSR war keineswegs weniger autoritär. Zu einem Wandel kam es aber nicht durch militärische Eskalation, sondern durch die Anerkennung, dass auch die Menschen im damaligen Ostblock berechtigte (Sicherheits-)Interessen hatten und eine entsprechende politische Annäherung. Die aggressive NATO-Osterweiterungspolitik hat den Ukraine-Konflikt ganz wesentlich mit befördert. Dafür alleine Russland oder Putin verantwortlich zu machen ist historisch blind und weder politisch noch moralisch integer.
Dass der größte Teil der Menschheit bzw. der Regierungen, die sie vertreten, sich nicht an der Sanktions- und Kriegspolitik beteiligen mag sollte zum Nachdenken anregen. Es scheint, als leide der Westen unter einer akuten postkolonialen Wahrnehmungsstörung, die blind für eigene Versäumnisse und Fehler macht. Es ist höchste Zeit für eine politische Kurskorrektur. Ansonsten werden auch die nachhaltigen Entwicklungsziele – über die ja weltweit eine große Einigkeit besteht – zu einem Opfer des Kriegs. Greenwashing in Kriegszeiten ist bei Finanzprodukten ärgerlich. In der Politik ist es jedoch lebensgefährlich.