Schon heute muss die gesetzliche Rente jährlich mit ca. 100 Mrd Euro aus Steuermitteln bezuschusst werden. Das ist der Preis dafür, dass die Beitragssätze halbwegs stabil gehalten werden. Eine weitere Stabilisierung soll in Zukunft durch die Aufbau eines Kapitalstocks erreicht werden, dessen Erträge an die Rentenversicherung fließen sollen. Das Problem: Dieses sogenannte Generationenkapital soll auf Kredit finanziert werden. Ist das eine gute Idee?
Handlungsdruck
Das umlagefinanzierte Rentensystem ist tatsächlich unter Druck. Einerseits sind die Beitragssätze gestiegen. Gleichzeitig ist das Absicherungsniveau immer weiter gesunken. Mit zusätzlicher Förderung der Altersversorgung über betriebliche Altersversorgung, Riester konnte dies zwar etwas ausgeglichen werden. Nur ein Teil der Bevölkerung hat diese Möglichkeiten jedoch bislang auch genutzt.
Für die Krise des Umlagesystems gibt es zwei wesentliche Gründe: Einerseits nimmt die Zahl und die Lebenserwartung der Rentner*innen immer weiter zu. Andererseits partizipieren sozialversicherungspflichtig Tätige nicht mehr in gleicher Weise an der Wertschöpfung der Wirtschaft wie früher. Diese Entwicklungen lassen sich nur bedingt politisch steuern. Nun sollen Investments an den Kapitalmärkten das Problem lösen.
Vorbild: Schweden – Referenz: KENFO
Dies scheint auf den ersten Blick eine gute Idee zu sein: Verschiedene europäische Länder praktizieren eine teilweise Deckung der Rente über staatliche Investmentfonds bereits seit längerem erfolgreich.
Auf längere Sicht wurden Schwankungen der Kapitalmärkte immer wieder ausgeglichen und führten zu attraktiven Wertentwicklungen. Laut Finanztip konnte der schwedische „AP7 Såfa“-Fonds – einer der größten Pensionsfonds in Europa – in den letzten zehn Jahren eine durchschnittliche jährliche Rendite von 14 Prozent erwirtschaften.
Der neue Pensionsfonds soll wie der Fonds zur kerntechnischen Entsorgung (KENFO) – auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen. Kohleabbau und -verstromung, Betreiber von Kernkraftwerken, Uranabbau und Betrieb von Uranminen, Öl- und Gasgewinnung aus Fracking, Waffenproduzenten usw. wären tabu. Soweit so gut – aber bei jedem Investment sind Chancen und Risiken abzuwägen.
Generationenkapital auf Kredit – wo ist das Problem?
Ein klassische Finanzprodukt-Warnung besagt, dass aus Entwicklungen in der Vergangenheit künftige Entwicklungen nicht abzuleiten sind. Vor kreditfinanzierten Investments raten Verbraucherschutz-Verbände regelmäßig ab. Gilt all das für staatliche Organe nicht? Angesichts einer Ertragserwartung von 14 Prozent scheint zwar auch eine Kreditaufnahme plausibel. Laut Bundesfinanzministerium zeigen empirische Studien, dass durch Anlage am Kapitalmarkt im langfristigen Durchschnitt deutlich höhere Erträge erzielt werden können, als Kosten durch die Kreditfinanzierung des Bundes entstehen. Allerdings blendet das BFM damit die aktuell sich rasch ändernden geopolitischen Bedingungen und volatilen Märkte komplett aus und auch die inzwischen ungünstigen Finanzierungsbedingungen.
Der Referenzfonds KENFO hat bei einer Aktienquote von aktuell ca. 40 Prozent ein Ertragsziel von 4 Prozent angegeben. Zieht man einen Sicherheitspuffer von einem Prozent ab, bleiben noch 3 Prozent übrig. Dem stehen aktuell 2,7% Zinsbelastung für Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit gegenüber. Auch eine staatliche Fondsverwaltung ist nicht umsonst zu haben. Da bleibt letztlich nicht mehr viel an Wertentwicklung übrig.
Tatsächlich sieht die Bilanz des Referenzfonds KENFO jedoch noch weitaus schlechter aus. Seit der Einrichtung in 2017 hat der Fonds jährlich im Schnitt weniger als ein Prozent Ertrag und so gut wie keine Kurswertsteigerung erreicht.
Ein Staatsfonds auf Kreditbasis hätte unter diesen Bedingungen Verluste gemacht anstatt Kapitalstock aufzubauen. Und: die nächsten Jahre dürften im Hinblick auf die Ertragslage schwierig bleiben.
Sinnvoller Strategiewechsel
Der KENFO will angesichts problematischer Wertpapiermärkte in Zukunft bis zu 30 Prozent des Kapitals in sogenannte illiquide Assets investieren, also sachwertorientierte Beteiligungen, die nicht an der Börse handelbar und damit weniger Wertschwankungen unterworfen sind.
Ein solcher Strategiewechsel zur weiteren Diversifizierung des Portfolios ist durchaus sinnvoll. Auch eine Beimischung von Gold und strategischen Rohstoffen wäre erwägenswert um die Resilienz des Fonds zu erhöhen. Dennoch bleibt die Kreditfinanzierung eine gewagte Wette.
Tropfen auf den heißen Stein
Finanztip hat berechnet, dass ein jährlicher Zuschuss von 17 Mrd Euro in die gesetzliche Rente benötigt wird, um eine Beitragssatzerhöhung von 1 Prozent auszugleichen. Um diesen Zuschuss zu finanzieren, wäre bei einem jährlichen Ertrag von 3 Prozent ein Fondsvolumen von 568 Mrd Euro notwendig. Es scheint mehr als unplausibel, dass dieser Kapitalstock mit den anvisierten Anlagebeträgen bis 2037 erreicht werden kann.
Fazit: In Zeiten hoher Zinsen und wirtschaftlich sehr labilem Umfeld Generationenkapital auf Kredit zu finanzieren ist aus unserer Sicht keine gute Idee. Die geburtenstarken Jahrgänge werden sich auf magere Jahre einstellen müssen oder längeres Arbeiten – vielleicht sogar beides. Generationenkapital hin oder her.
Nachtrag: Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 15. November den Nachtragshaushalt der Bundesregierung für verfassungswidrig erklärt hatte, wurde die für das vierte Quartal 2023 geplante erste Zahlung in das Generationenkapital ausgesetzt.