So manche Anlegerin verknüpfte mit der Anhebung der Leitzinsen Hoffnungen auf höhere Sparerträge. Endlich lohnt sich sparen wieder! titelte im Sommer beispielsweise die BILD-Zeitung. Die Auswirkungen der drastischen Zinsanhebungen sind allerdings zwiespältig. Die Ambivalenz hoher Zinsen zeigt sich auch bei den Lebensversicherungen.
Ein Lichtblick
Durch die höheren Zinseinnahmen konnten deutlich mehr Versicherer wieder die hohen Garantie-Leistungen erwirtschaften, die sie in früheren Jahren versprochen hatten. Durch das steigende Zinsniveau ist nicht nur der Fehlbetrag deutlich gesunken. Die deutschen Versicherer mussten auch die Zinszusatzreserve nicht weiter aufstocken, so dass auch neuen Verträgen wieder mehr Erträge zu Gute kamen. Konkret wanderten etwa vier Milliarden Euro aus der Reserve wieder ins Deckungskapital der Rentenverträge.
Steigende Zinserträge…
Noch sind zwar nicht alle Gesellschaften über den Berg. Bei rund zwanzig Gesellschaften ergibt sich immer noch ein Defizit bei der Verrechnung von Zinseinnahmen und Zinsverpflichtungen. Bei mehr als der Hälfte von ihnen liegt es jedoch bei unter 25 Prozent.
Etwa genauso viele Gesellschaften erreichten, die bislang im Minus lagen erreichten wieder den positiven Ertragsbereich. Einzelne Gesellschaften wiesen in 2022 gar Nettokapitalerträge von bis zu fünf Prozent aus. Im laufenden Jahr dürfte sich die Situation noch weiter entspannt haben.
…führen zu stillen Lasten
Dem stehen in den Bilanzen der Gesellschaften nun allerdings ganz neue Probleme gegenüber. Die in der Niedrigzinsphase gewachsenen Bewertungsreserven schmolzen wie Schnee in der Sonne zusammen und verwandeln sich nun paradoxerweise in stille Lasten. Weil die geringer verzinsten Anleihen zu niedrigeren Kursen gehandelt werden, als in der Bilanz ausgewiesen würden sie nämlich aktuell mit Verlust verkauft.
Statt Schlussüberschüssen drohen den auslaufenden Verträgen also Kürzungen. In der Regel halten die Gesellschaften ihre Anlagen bis zur Fälligkeit, so dass wieder der bilanzierte Nominalwert erreicht wird. Insofern sind die praktischen Konsequenzen überschaubar.
Problematisch könnte es allerdings werden, wenn Lebensversicherer gezwungen wären, diese hypothetischen Verluste zu realisieren, weil ihre Liquidität knapp wird. Dazu könnte es beispielsweise kommen, wenn das Neugeschäft stark zurückgeht oder viele Verträge gekündigt oder beitragsfrei gestellt werden. Die Finanzaufsicht würde zwar in einem solchen Fall voraussichtlich stabilisierend eingreifen. Jedoch zeigt sich hier deutlich die Ambivalenz hoher Zinsen.
Frühe Forderungen obsolet
Die von manchen Verbraucherschutzorganisationen früher erhobene Forderung nach einer stärkeren Beteiligung gekündigter Verträge an den Reserven hat sich jedenfalls erledigt. Die Gesellschaften wären dadurch bilanziell geschwächt worden und hätten heute mit noch mehr Problemen zu kämpfen. Resümee: Nicht alles was im Namen des Verbraucherschutzes gefordert wird dient auch tatsächlich dem Schutz der Verbraucher:innen.