Gerda hat in den vergangenen sechs Jahren die Räume und so manche Garten-Anekdote mit uns geteilt. Wir veröffentlichen im Folgenden einen Nachruf von Marco Clausen (Prinzessinnen-Gärten), der ihre Person und ihr Wirken treffend beschreibt.
Gerda Münnich ist am 12. April von uns gegangen. Die Lücke, die ihr unerwarteter Tod in die Berliner Gartenbewegung reißt, wird nicht zu schliessen sein. Gerda wird uns schmerzhaft fehlen.
„Mutter der Berliner Interkulturellen und Gemeinschaftsgärten“ hat sie sich manchmal mit einem Augenzwinkern genannt. Doch das war sie wirklich. Vor 14 Jahren hat sie den ersten Interkulturellen Garten in Berlin aus der Taufe gehoben, den Wuhlegarten in Köpenick, und damit in dieser Stadt den Keim einer Idee gepflanzt, die sich nicht zuletzt durch Gerdas eigenes unermüdliches Wirken schnell verbreiten sollte. Heute gibt es in Berlin über 100 Interkulturelle und Gemeinschaftsgärten. 2010 gehörte Gerda Münich zu der dreizehnköpfigen Gründungsgruppe des Allmende-Kontors auf dem Tempelhofer Feld, das Gemeinschaftsgarten und Vernetzungsstelle zugleich ist. Und niemand hat die Idee des Verbindens so sehr verkörpert wie Gerda Münnich.
Nach ihrem beruflichen Wirken, sie war im Bankwesen der DDR Pionierin bei der Entwicklung offener EDV-Systeme, hatte sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Sache des gemeinsamen Gärten und ihren verbindenden Charakter in die Welt zu tragen. Ressentiments und Berührungsängste waren ihr dabei fremd. Ost und West, alt und jung, Kreuzberger Hipster oder der Arbeitslose aus Köpenick, Universitätsprofessor oder Aussiedlerfamilie aus Rußland, es war Gerdas gelebte Utopie, im gemeinsamen Gärtnern die unterschiedlichen Erfahrungen, Herkünften und Biographien zusammenzubringen, um eine gemeinsame Sprache zu sprechen.
„Ganz Berlin ein Garten“ war die Vision, für die sich sich von Morgens bis oft spät Abends engagierte. Keine Veranstaltung zu Gemeinschaftsgärten oder Grün in der Stadt, in der sie nicht irgendwann zur Tür rein kam; nicht selten etwas verspätet, weil sie gerade noch einem anderen Termin bei der Verwaltung, einem Netzwerktreffen, einem Workshop zum selben Thema hatte. Eine Veranstaltung, ein Film- oder Diskussionsabend zum Thema Gärten in der Stadt war ohne sie nicht denkbar. Selbst an den unerwartetsten Orten, bei Tagungen in München oder Dortmund, stand sie plötzlich aus dem Publikum auf, nahm das Mikrophon und teilte ihren unschätzbaren Schatz an Erfahrungen.
Gerdas Einsatz galt nicht nur dem Bestellen des eigenen Beetes, sondern allen Gärten gleichermaßen. So half sie die Berliner Gartenkarte zu erstellen und organisierte Bustouren zu den bedrohten Gärten dieser Stadt. Ihr Wunsch mit den Gärten zu verbinden betraf die unterschiedlichen Herkünfte der Menschen ebenso wie das Verbinden der Menschen mit der Natur, mit der Erde, mit Wasser und den Pflanzen. Damit schloss sich in Gerdas Leben der Kreis zu ihrer Kindheit. Bei Kriegsende war sie 6 Jahre alt und lebte auf dem Hof ihrer Großeltern im Spreewald. Noch aus eigener Anschauung kannte sie den Krieg und seine Folgen. Diese Erfahrung prägte sie und ihren Einsatz für jene Menschen, die in den Gärten nach traumatischen Erfahrungen von Gewalt und Flucht neue Wurzeln schlagen. Sprach man mit ihr über die unmittelbare Nachkriegszeit, dann tauchte aber noch eine andere Erinnerung auf, eine Erinnerung an Freiheit und die Kraft der Menschen, sich auch unter widrigen Bedingungen solidarisch zu verhalten. In einem Interview der taz nach ihrer Lieblingspflanze befragt, antwortete Gerda: „Jasmin. Falscher Jasmin, um genau zu sein. Dieser Duft weckt Kindheitserinnerungen. Sommer auf dem Dorf, Freizeit und Freiheit.“
Aus diesen Kindheitstagen berichtete Gerda, wie die Alten, die Frauen und Kinder die Felder ohne Maschinen und Treibstoff bestellen mussten, um das Essen auf den Tisch zu bringen; für sich, aber auch für die Verwandten in der Stadt. Aus ihren Worten sprach nicht nur die Erfahrung harter Arbeit und Entbehrung, es leuchtete in ihnen auch etwas wie Stolz und die Erfahrung von Solidarität und Freiheit auf.
Gerda, wir werden Dich vermissen. Noch oft werden wir in Zukunft unbewußt den Blick zur Tür oder auf das offene Gartentor richten und Dein Eintreten erwarten. Vergeblich. Der Platz, den wir für die frei gehalten haben, wird leer bleiben. Wir werden Deine Stimme nicht mehr hören. Doch sie lebt weiter, in der Vielfalt der verschiedenen Gärten dieser Stadt, der Vielfalt der Planzen und der Begegnungen, die ohne dich nich denkbar gewesen wären. Wir haben Dir unsagbar viel zu verdanken.