Bei der Kapitalanlage warnen Expertinnen und Experten immer wieder davor, weitere Ressourcen in ein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen zu stecken nur deshalb, weil bereits so viel Aufwand dafür betrieben wurde. In kriegerischen Auseinandersetzungen – wenn sie denn einmal ausgebrochen sind – wäre es sinnvoll, die gleiche Vernunft walten zu lassen. Zumal es dabei nicht nur um Geld, sondern um Menschenleben geht. Die Parole, dass all die Opfer nicht umsonst gewesen sein dürfen ist wieder „en vogue“. Vielleicht liegt das auch daran, dass diejenigen, die sinnlose Opfer fordern diese selten selber bringen müssen.
Der Irrtum versenkter Kosten
Ein bewährter Grundsatz bei der Geldanlage lautet „schlechtem Geld kein gutes hinterher zu werfen“. In anderen Worten: Finde dich mit einem Verlust ab, wenn ein Unternehmen offensichtlich zum Scheitern verurteilt ist, anstatt immer mehr Geld nachzuschießen.
Das Gegenstück dazu heißt im angelsächsischen Sprachraum „sunk cost fallacy“ – den Irrtum noch mehr Ressourcen zu verschwenden, nur weil man bereits so viel investiert (Kosten versenkt) hat.
Eine Lehre aus der Geschichte
In seinem Buch „Homo Deus“ erwähnt Noah Yuval Harari ein besonders dramatisches Beispiel dafür aus der Zeit des ersten Weltkriegs. Italien gab 1915 seinen neutralen Status auf und trat an der Seite der Entente in den Krieg ein, mit dem Ziel die Gebiete um Trient und Triest zu erobern. Die militärische Führung hielt dies für eine Sache von Tagen. Das war ein folgenschwerer Irrtum.
Bereits in der ersten von zwölf Schlachten am Isonzo verlor die italienische Armee mehr als fünfzehntausend Männer. „Diese Opfer dürfen nicht umsonst gewesen sein“ lautete die Parole von da an. Weitere zehn Offensiven scheiterten unter hohen Verlusten, bis die Mittelmächte 1917 zu einer Gegenoffensive ansetzten, in deren Verlauf die italienische Armee bis zum Fluss Piave zurückgedrängt wurde. Mehr als eine halbe Million italienische Soldaten verloren ihr Leben auf der Basis einer unsinnigen Parole. Es waren sinnlose Opfer.
Wer Maßstäbe setzt, sollte sich auch selber daran messen lassen
Selbstüberschätzung in Verbindung mit einem Mangel an Bereitschaft zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts scheint auch mehr als 100 Jahre später wieder brandaktuell zu sein. Dass der unsinnige Krieg in der Ukraine wahlweise zu einem Kampf für Demokratie und Freiheit oder kulturelle Identität verklärt wird macht ihn nicht besser. Mit Rücksicht auf berechtigte Sicherheitsinteressen wäre er von vornherein zu vermeiden gewesen.
Man mag die Sezessionsbewegungen in der Ukraine für rechtswidrig halten, man mag Russland hegemoniale Bestrebungen unterstellen. Dies träfe freilich auf andere Mächte und Regionen nicht minder zu, ohne dass deshalb allethalben der Ruf nach noch mehr Waffen in solche Konfliktregionen laut geworden wäre. Und sollte wer solche Maßstäbe setzt, sich nicht auch selber daran messen lassen? Waren es nicht die USA und ihre Verbündeten, die in 1999 unter einem Vorwand Jugoslawien bombardierten, um die Aufspaltung der Republik zu besiegeln? Hält sich das westliche Militärbündnis für allein berechtigt, Maßstäbe dafür zu setzen was eine humanitäre Intervention und was ein brutaler Angriffskrieg ist?
Der Krieg ist jedenfalls ein Desaster nicht nur für die direkten Opfer der Kampfhandlungen sondern auch für die gesamte Menschheitsfamilie und nicht zuletzt die Ökosysteme. Die Anschläge auf die Northstream-Pipelines haben mehr klimarelevante Gase freigesetzt als eine Million Pkw’s in 5 Jahren.
Dass auch viele nachhaltige Geldanlagen mit diesem Krieg zurückgeworfen werden ist vielleicht noch am ehesten zu verkraften. Eines ist jedenfalls sicher: Nachhaltigkeit geht nicht ohne Frieden. In diesem Sinne ist uns allen mehr Deeskalation und ein friedlicher Jahreswechsel zu wünschen.