Sowohl die Einführung neuer Berichtspflichten für Unternehmen, als auch Dokumentationspflichten in der Beratung befördern einen zunehmend stärkeren Konsens darüber, was Nachhaltige Finanzprodukte sind. Eine Momentaufnahme
Nachhaltigkeit statt Moralismus
Letztlich basieren alle Nachhaltigkeitsgrundsätze auch auf ethischen Erwägungen. Insofern sind rein technokratische Ansätze im Diskurs um eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung eher fragwürdig. Gleichwohl ist es bemerkenswert und auch zu begrüßen, dass beispielsweise die Dominanz von moralistisch geprägten Ausschlusskriterien nachgelassen hat.
Spätestens mit der Verabschiedung der „Sustainable Development Goals“ sind Kernthemen der nachhaltigen Entwicklung in den Vordergrund gerückt. Dies lässt sich u.a. an den Top 10 der Ausschlusskriterien bei Anlageprodukten direkt ablesen:
In 2014 lagen noch Alkohol, Glücksspiel, Pornografie und Tabak auf den vordersten Rängen der Negativkriterien. Nun haben Umweltzerstörung, Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen sowie Korruption und Bestechung die Spitzenplätze erobert. Im Zuge der Klimadebatte hat auch Kohle einen der vorderen Ausschlussplätze besetzt:
Quelle: FNG-Marktberichte 2014/2019 – Zahlen sind jeweils in Mrd Euro ausgewiesene Anlagebeträge auf die die jeweiligen Ausschlusskriterien angewendet werden.
Mehr wirkungsorientierte Strategien
Die Anlagestrategien bei offenen Investmentfonds sind mittlerweile auch deutlich ziel- bzw wirkungsorientierter. Ökologische, soziale und unternehmensethische Selektionskriterien werden nicht nur durch Ausschluss bestimmter Branchen angewendet. Schon auf der Ebene des Wirkens jedes einzelnen Unternehmens kommen sie zum Einsatz. Auch im Rahmen proaktiven Aktionärswesens wirken Kapitalanlagegesellschaften auf nachhaltigere Unternehmensführung ein.
Zudem gewinnen spezielle Themenfonds und impactorientierte Anlagestrategien an Gewicht. Dadurch sind gezielte Ausschlüsse auf Basis mehr oder weniger strenger Umsatzschwellenwerte keineswegs obsolet geworden. Sie werden allerdings zielgenauer praktiziert.
Weiterentwicklung von Indexstrategien
Marktbeherrschende ETF-Produktanbieter haben sich ebenfalls in den letzten Jahren zunehmend einem nachhaltigen Produkt-Branding gewidmet. Sie weisen nun jeweils Teile ihres indexbasierten Portfolios mit den Bezeichnungen ESG oder SRI aus, um im nachhaltigen Geschäftsfeld mitzuspielen.
Kern der Strategie dieser Anbieter bleibt jedoch, mit Hilfe eines im Wesentlichen über niedrige Gebühren geführten Verdrängungs-wettbewerbs die beherrschenden Positionen weiter auszubauen ohne allzu viele Kompromisse in Sachen Nachhaltigkeit eingehen zu müssen. Allenfalls das relativ unaufwändig zu bespielende Klimathema setzen Anbieter dort halbwegs überzeugend um.
Im Übrigen jedoch zeigen Detailanalysen der Portfolios, wie sie beispielsweise von Facing Finance durchgeführt werden, erhebliche Mängel in der Konsistenz der Nachhaltigkeitsansätze.
Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass Nischenanbieter dies in Zukunft nutzen, um weitere qualifizierte Produkte im Bereich der indexorientierten Anlageprodukte aufzulegen. Pioniere haben es mit dem am NAI-Aktienindex orientierten „Green Effects“ oder dem „Global Challenges Index“ vorgemacht haben. Nur langsam finden solche Produkte bisher ihren Zugang beispielsweise in die Angebote der breitenwirksamen kapitalbildenden Versicherungsprodukte. Manche, wie der Natura Semper nx-25 verschwanden mangels Marktzugangsbreite auch wieder von der Bildfläche.
Risiko und Diversifizierung
Wer stärker wirkungsorientiert anlegen will muss entweder bereit sein, technisch höhere Risiken durch direkte Beteiligungen einzugehen oder – wie bei Mikrofinanzfonds – Ertragserwartungen herunterzuschrauben.
Eine Diversifizierung der Anlageklassen kompensiert dabei das formal möglicherweise höhere Risiko. Das geschieht durch inflationsunabhängige Sachwerte und weil sich Anleger*innen von den großen Schwankungen börsengehandelter Wertpapiermärkte abkoppeln. Beteiligungen an sozialökologisch orientierten Immobilenentwicklern wie KlimaGut AG oder Nestbau AG oder genossenschaftlich orientierten Bürgerenergiegesellschaften sollten ohnehin in jedem Portfolio vertreten sein. Und auch im Bereich Edelmetalle können Anleger*innen auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen fündig werden.