Vernetzte Kleinanleger haben im selbstproklamierten Kampf gegen Hedgefonds und Shortseller Aktien von GameStop, AMC, Nokia & Co. in die Höhe getrieben. Zuletzt stürzte sich die Community auf Silber und Cannabiswerte. Können sie zu einem nachhaltigen Korrektiv der Finanzmärkte werden?
Helden oder Zocker?
Die Akteure, die sich hinter dem edelmütig klingenden Namen Robinhood verbergen haben genauso wenig mit dem Vorbild gemein wie das von ihnen genutzte Handelsportal. Es sind digitale Spekulanten, die sich mit anderen digitalen Spekulanten ein Duell lieferten und dabei gewisse Erfolge errangen. Sie zwangen Hedgefonds dazu, Aktien auf deren Kurssturz diese gewettet hatten für teures Geld zurückzukaufen. Im Ergebnis werden sie aber wohl höchstens zu einer Flurbereinigung beitragen. Kleinere Hedgefonds werden von größeren geschluckt. Schlimmstenfalls könnten sie damit auch die Finanzierung solide wirtschaftender Unternehmen gefährden und das Finanzsystem insgesamt destabilisieren.
Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun. Formal erfüllt es genauso wie das Handeln so einiger Hedgefonds den Tatbestand der Marktmanipulation. Die Kleinzocker sind nicht besser als ihre Gegenspieler. Heiligt der Zweck die Mittel, nur um Profis eins auszuwisschen, die mit geliehenen Werten spekulieren?
Es ist intuitiv verständlich, Sympathien dafür zu hegen. Wer mag schon Menschen, die mit dem Scheitern anderer Unternehmen Geld verdienen? Allerdings wird der positive Beitrag von Hedging verkannt, denn es geht ja auch um das Absichern von Risiken. Was macht es für einen Sinn, massiv in Unternehmen zu investieren, deren Geschäftsmodell nicht zukunftsfähig – also letztlich zum Scheitern verurteilt ist?
Nur wenige Gewinner
Bei der Wette gegen die Hedgefonds haben im Übrigen nur diejenigen gut verdient, die frühzeitig die Übertreibung bei der eigentlich gerechtfertigten Abwertung des Unternehmens erkannt haben. Die meisten, die im Hype eingestiegen sind dürften eher sich selbst geschadet als dem Gemeinwesen gedient zu haben.
Lektionen
Welche Schlüsse können wir aus den Ereignissen ziehen?
- Flashmobs können tatsächlich wirksam in das Finanzsystem eingreifen und selbst professionelle Akteure in Zugzwang bringen
- Die These von der Effizienz der Kapitalmärkte ist korrektur- oder zumindest erweiterungsbedürftig. Sie blendet extrafinanzielle Motive genauso aus, wie technisch erzwungene Verkäufe und die Tatsache dass passive Produkte Entwicklungen verstärken, weil sie einem Index blind folgen.
Sollte sich das gewachsene Selbstbewusstsein des Investment-Schwarms auf Nachhaltigkeit fokussieren, statt Geschäftsmodelle der Vergangenheit zu verteidigen, könnte sie hilfreich sein. Vor allem könnte die Community Kriterien ins Spiel bringen, welche die auf Cash-Flow-Betrachtungen fixierten Hedgefonds vernachlässigen. Dann wären sie ein gesundes Korrektiv im Sinne nachhaltiger Entwicklung.