Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat Ende April ein neues Modell der Altersversorgung, die sogenannte Extrarente vorgestellt. Angeblich wünschen sich knapp ¾ der Verbraucher*innen ein staatlich organisiertes Produkt für die private Altersversorgung. Das Modell ist aktienfondsbasiert. Eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten ist bislang nicht vorgesehen. Die obligatorische Einrichtung für alle angestellt Beschäftigte widerspricht Verbraucherschutzgrundsätzen und würde zu einer groben Wettbewerbsverzerrung führen.
Eckpunkte des Versorgungsmodells
Es handelt sich im Wesentlichen um eine private, jedoch über den Arbeitgeber abgewickelte Versorgung auf Basis von aktienorientierten Investmentfonds.
Beiträge in Höhe von 4% des Bruttoeinkommens sollen obligatorisch sein, jedoch mit der Möglichkeit eines freiwilligen Austritts innerhalb von 6 Monaten (Opting-out). Spätere Änderungen des Beitrags und der Aktienquote sollen möglich sein. Selbstständige sollen das Modell ebenfalls in Anspruch nehmen können.
Ein öffentlich-rechtlicher Träger soll die Kapitalanlage kostengünstig unter privaten Fondsmanagern ausschreiben. Eine bestimmte Anlagegarantie ist nicht vorgesehen. Standardmäßig ist bis zum Endalter 49 eine Aktienquote von 100% vorgesehen. Danach soll sukzessive zunehmend in Anleihen umgeschichtet werden. Weitere Anlageklassen sind bislang nicht vorgesehen.
Bei Rentenbeginn soll die Extrarente entweder in Form einer Kapitalauszahlung, eines Auszahlplanes aus weiter angelegtem Fondskapital oder einer garantierten lebenslangen (versicherungsförmigen) Rente genutzt werden können. Vor Rentenbeginn kann nicht über das Kapital verfügt werden.
Es wird mit einer günstigen Kostenquote von 0,3% gerechnet
Kritikpunkte
Die Extrarente kann nur dann kostengünstig angeboten werden, wenn wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten entfallen und der Aufwand für Beratung, Abwicklung und laufende Betreuung dazu anderweitig abgewälzt und finanziert wird. Nach der Vorstellung des vzbv soll dies dann vorrangig über die Deutsche Rentenversicherung und die Verbraucherzentralen erfolgen, deren Kräfte jedoch keine entsprechende Qualifikation nachweisen können bzw. müssen.
Auf individuelle Anlagepräferenzen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten wird im Rahmen des Standardmodells keine Rücksicht genommen.
Ob eine garantielose Kapitalanlage den Anlagewünschen der Beschäftigten entspricht muss bezweifelt werden, denn bei dem erst kürzlich eingeführten (und kaum wahrgenommenen) sogenannten Sozialpartnermodell in der betrieblichen Altersversorgung wird überdurchschnittlich häufig in Umfragen das Garantieverbot als Hindernis genannt, weil – wenig überraschend – die Beschäftigten garantielose Angebote wenig schätzen.
Der Verzicht auf Garantien erwies sich zwar in der Vergangenheit als gut für die Rendite. Daraus lassen sich jedoch keine zwingenden Rückschlüsse auf die Entwicklung in der Zukunft herleiten und es besteht in der Regel weder eine entsprechende Anlageerfahrung noch die individuelle Risikobereitschaft. Während diese in der marktüblichen Beratungsvermittlung zwingend zu beachten und zu dokumentieren sind, sollen sie beim Abschluss einer Extrarente plötzlich nicht mehr relevant sein. Das Argument, dass die Anlage ja später durch die Versicherten anders gestaltet werden kann wäre nach der geltenden Rechtsprechung und anerkannten Verbraucherschutz-Standards nicht akzeptabel.
Eine obligatorisch über den Arbeitgeber abzuwickelnde Umsetzung würde sicher die Verbreitung der zusätzlichen Versorgung erhöhen führt aber zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Versorgungswegen und -angeboten.
Unsere Eischätzung
Die Extrarente wirbt mit „fair.einfach.mehr“ und kommt wie die – ähnlich konzipierte – Deutschlandrente als Gegenentwurf zu privaten oder öffentlich geförderten Renten daher. Allerdings basiert das Modell durch die obligatorische und nicht individuell angepasste Fondsanlage auf Wettbewerbsverzerrung und dem Abwälzen von Beratungs- Verwaltungs- und Betreuungsaufwand auf Dritte.
Auch bestehende Produkte lassen sich natürlich – soweit es geringere Auswahl- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt und die Beratung auf Honorarbasis erfolgt – kostengünstiger darstellen und wenn es keine verpflichtenden Garantien gibt sind diese auch genauso „renditeträchtig“. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass der marktbasierte Wettbewerb in der Regel die bedarfsgerechtesten und kostengünstigsten Angebote hervorbringt und nicht ein öffentlich-rechtlicher Monopolist.
Die obligatorische Einrichtung der Extrarente privilegiert einseitig ein neues Produkt, welches individuelle Anlageerfahrungen, -wünsche und Risikoneigungen sowie Nachhaltigkeitsaspekte nicht berücksichtigt und für welches keinerlei Leistungsbilanz vorliegt.