Über Grenzen portabel soll es sein, zum Abbau der Altersarmut beitragen, sicher, kostengünstig, flexibel, transparent, und wenn möglich nachhaltig: Die Europa-Rente PEPP (Pan-Europäisches Pensions-Produkt). Schon vor der Markteinführung ist jedoch klar, dass das seit 2015 entwickelte Vorsorgeprodukt all diese Ansprüche gar nicht erfüllen kann. Die Europa-Rente ist bestenfalls gut gemeint. Ein Blick auf die Fakten.
Altersarmut
Altersarmut ist ein reales Problem. Einerseits sind traditionelle Versorgungssysteme durch die demografische Entwicklung überfordert. Andererseits sind große Teile der arbeitenden Bevölkerung von der Teilhabe an der wirtschaftlichen Wertschöpfung abgekoppelt. Es fehlt oft schlicht am finanziellen Spielraum für eine zusätzliche kapitalgedeckte Rente. Daran wird PEPP nichts ändern. Es ist eher für eine mobile, technikaffine Mittelschicht konzipiert, die von Armut kaum betroffen ist.
Kosten
Kostengünstig soll die Basisvariante dadurch sein, dass die jährliche Gesamtkostenquote per Verordnung auf 1% beschränkt wird. Dieser Satz soll alle Kosten für Beratung, Vermittlung, laufende Verwaltung und Kapitalanlage beinhalten. Das klingt gut läuft aber letztendlich auf einen digital abgewickelten ETF-Sparplan mit algorithmisch gesteuertem Sicherheitskonzept hinaus. Das ist interessant für die europäischen ETF-Platzhirsche Blackrock & Co – ob es auch im Interesse derjenigen ist, die eine solche Versorgungslösung abschließen ist eine andere Frage. Die Leistungsbilanz dieser Kapitalanlagegesellschaften hinsichtlich Pensionsverpflichtungen sieht eher wenig vertrauenserweckend aus.
Sicherheit
Von FinTech Enthusiasten wie Til Klein wird insbesondere die Abkehr von der „harten Garantieleistung“ als wichtiger Schritt des europäischen Pensionsproduktes gelobt. Angesichts geringer Erträge sicherheitsorientierter Anlagen gibt es durchaus Argumente für eine Reduzierung von Garantien. Für eine Basisabsicherung (siehe Altersarmut) ist ein solches Produkt dann aber kaum geeignet und alle „alternativen“ Ansätze zur Risikoreduzierung müssen ihre Wirksamkeit im Ernstfall, also beispielsweise im Falle von dramatischen Verwerfungen an den Kapitalmärkten erst noch erweisen. Jungen Fin-Tech-Startups fehlt es hier an Expertise.
Flexibilität
Wo die Europarente neu ist, ist sie nicht gut und wo sie gut ist, ist sie nicht neu. Schon heute lässt sich jede Privatrente oder privat fortgesetzte Direktversicherung in jedes europäische Land portieren, von dort besparen und dorthin überweisen. An den unterschiedlichen Förderbedingungen in diesen Ländern ändert PEPP rein gar nichts. Eine Gleichstellung beispielsweise mit Riester- oder Basisrente ist schon deshalb nicht möglich, weil letztere – gesetzlich gewollt – gerade keine flexiblen Auszahlung vorsehen. Dies ist auch gar nicht im Sinne eines Versicherungskollektivs, weil dadurch ein sinnvoller Risikoausgleich erschwert bzw. nur unter zusätzlichen Kosten möglich ist. Wie die Schwaben sagen: man kann nicht beides haben: das Weckle und den Groschen.
Alle fünf Jahre soll es möglich sein den Anbieter oder die Anlagestrategie zu wechseln. Besonders flexibel klingt das nicht. Diese Regelung orientiert sich wohl an den üblichen Fristen zur Verteilung von Abschlusskosten. Wie in diesem Fall mit eingegangenen Garantieversprechen umgegangen wird bleibt unklar. Es wird sich keine Anbieterin mangel-haft untersetzte Garantiezusagen von Vorgängerinnen aufhalsen lassen wollen. Letztendlich wird es wohl nur die Wahl zwischen Garantie- oder Wechselverzicht geben.
Transparenz
Durch einen auf über 30 Seiten Verordnung festgehaltenen Produktinformationsstandard sollen die Produkte hinsichtlich Kosten und Risiko-Rendite-Profil transparent werden. So soll bei Hochrechnungen einheitlich ein stochastisches Rechenmodell eingesetzt werden. Das entspricht einem volatilen Kapitalmarkt eher als lineare Hochrechnungen mit einem jährlich gleichbleibenden Zinssatz. Wie die Hochrechnung im Detail funktioniert und wie sich alternative Risikoabsicherungskonzepte im Wechselfall auf die Entwicklung auswirken bleibt nebulös. Wie auch bei den vorgenannten Punkten krankt das Produktkonzept an einem Übermaß sich gegenseitig kompromittierender Ansprüche.
Nachhaltigkeit
Das trifft last not least auch auf den Nachhaltigkeitsanspruch zu. Nachhaltige Kapitalanlage ist im Rahmen der Europa-Rente nicht grundsätzlich vorgeschrieben. Zwar soll darüber aufgeklärt werden in wieweit Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage berücksichtigt werden. Das ist allerdings eine Vorgabe, die sich schon bei Riesterprodukten über fünfzehn Jahre lang als völlig zweckfrei erwiesen hat. Ohnehin lassen sich bei dem vorgegebenen Kostensatz wohl nur blassgrüne Indexprodukte lancieren. Es wundert deshalb auch nicht, dass es die Firma BlackRock war, welche in 2014 durch fleißiges Lobbying in Brüssel die Entwicklung der Europa-Rente vorantrieb. Ist keine Verschwörungstheorie.