Geldmengenausweitung, inflationäre Entwicklungen, fehlender Zugang zu Bankdienstleistungen in Teilen der Welt oder repressive Maßnahmen hinsichtlich der Verfügbarkeit eigener Vermögenswerte sind wesentliche Argumente, die für den Einsatz von Kryptowährungen auf Basis von Blockchain-Technologie sprechen. Die damit verbundenen Probleme sind jedoch nicht weniger gewichtig. Die Frage, ob Kryptos aus Nachhaltigkeitssicht eher Problem oder Lösung darstellen, ist noch nicht abschließend zu beantworten. Es gibt gute Gründe, skeptisch zu sein.
Praxistauglichkeit belegt
Dass die dezentral organisierten digitalen Währungen funktionieren belegt beispielhaft der Aufstieg des Bitcoin. Er hat mittlerweile umgerechnet rund eine Billion US-Dollar Marktkapitalisierung erreicht. Auch Ethereum nimmt mit über 300 Milliarden einen respektablen zweiten Platz ein.
So ist es nicht verwunderlich, das Kryptowährungen inzwischen auch im Bereich Kapitalanlage eine zunehmend gefragtere Anlageklasse darstellen. Entsprechende Fonds mit bedeutenden Kryptoanteilen werden neuerdings sogar mit Preisen ausgezeichnet.
Bisweilen werden Kryptos auch als eine Art digitales Gold bezeichnet, weil sie bei programmatisch festgeschriebener Mengenbegrenzung einen gewissen Inflationsschutz versprechen.
Vergleich mit Gold hinkt
Diese Hoffnung könnte sich jedoch als trügerisch erweisen. Zwar lässt sich die Menge einer Kryptowährung begrenzen – nicht jedoch die Zahl weiterer ICO’s – also Platzierung neuer digitaler Währungen. So war mit dem Aufstieg des Ethereum als energieeffizienterer Kryptowährung ein gewisser Wertverfall des Bitcoin verbunden. Wir müssen realistischerweise davon ausgehen, dass dies noch lange nicht das Ende der Produkt-Evolution am Kryptomarkt gewesen sein wird.
Der Energie- und Ressourcenhunger von Kryptowährungen ist ein weiterer Aspekt, der den Vergleich hinken lässt. Zwar wird beim Bergbau mit großem energetischen Aufwand massiv in Ökosysteme eingegriffen. Jedoch wird ein immer größerer Anteil an physischem Gold aus Recyclingquellen bezogen. Zudem lösen weitere Transaktionen mit Gold im Gegensatz zu Kryptos kaum noch Energieverbrauch aus.
Tatsächlich ist die Volatilität des Bitcoin-Kurses noch um einiges höher, als der des Goldes. Er verhält sich auch in Krisenzeiten anders. Während Gold im Gegensatz zum Weltaktienindex seit Jahresbeginn etwa 10% zugelegt hat, sind Bitcoin und Ethereum sogar noch stärker gefallen als der Aktienmarkt.
Energie- und Rohstoffprobleme
Das hat einen trifftigen Grund. Der jährliche Energieverbrauch aller Transaktionen am Krytomarkt entspricht aktuell mit etwa 126 TWh in etwa dem Verbrauch Schwedens – Tendenz steigend. Die Energiepreise wirken sich deshalb auch massiv auf Kryptos aus. Dem wird entgegengehalten, dass auch normale digitale Finanztransaktionen mit Energieverbrauch verbunden sind. Dazwischen liegen jedoch Dimensionen.
Laut Luisa Lange von Ethius Invest beträgt der Energie-Fußabdruck einer durchschnittlichen Transaktion im Bitcoin-Netzwerk 2.200 kWh. Das entspricht dem Stromverbrauch eines durchschnittlich Ein-Personen-Haushalts pro Jahr oder 2,3 Millionen Transaktionen mit einer Kreditkarte. Bei Ethereum liegt der Verbrauch zwar rund 20 mal niedriger aber immer noch deutlich über dem Verbrauch ge-wöhnlicher Banktransaktionen am Computer.
Da die zum sogenannten Mining notwendige digitalen Rechenkapazitäten ständig ausgebaut und hinsichtlich Leistungsfähigkeit erhöht werden entstehen in der Folge auch viele Tonnen Elektroschrott. Laut Branchendienst Digiconomist bemisst er sich je Transaktion auf 352 Gramm. Das entspricht dem Elektroschrottgewicht von zwei iPhones.
Nachhaltige Lösungen (noch) nicht in Sicht
Die Hoffnung, dass dieses Problem durch sukzessiven Umstieg auf erneuerbare Energien gelöst werden kann ist leider ebenfalls zweifelhaft. Schon heute reichen die Kapazitäten kaum, um den Umstieg auf Elekromobilität zu gewährleisten. Tatsächlich befindet sich ein Großteil der Rechenkapazitäten in Weltregionen mit niedrigen Strompreisen aus konventionellen Quellen. Die Transaktionskosten hätten den Handel sonst längst zusammenbrechen lassen.
Nachdem China im Juni vergangenen Jahres alle Mining-Aktivitäten im eigenen Land verboten hat ist Fracking-Weltmeister USA mit etwa 1/3 der globalen Aktivitäten zum neuen Vorreiter aufgestiegen. Zur Verhältnismäßigkeit des hohen Energieverbrauchs wird aber auch dort sehr kontrovers diskutiert. Im Zuge der aktuellen Energiekrise dürfte sich diese Debatte eher zu Ungunsten der Kryptos entwickeln. Alternativ werden sich andere energiesparsame Techniken durchsetzen, was wiederum den Marktwert der schon etablierten Kryptos belasten wird.
Weitere Risikofaktoren
Da auf dem Kryptomarkt nicht wenige dubiose Geschäftsbeziehungen bestehen ist damit zu rechnen, dass striktere Regulierungsmaßnahmen in diesem Bereich eingeführt werden, die zumindest für die Frage der Attraktivität von Kryptos als Kapitalanlage relevant sind. Neben den ökologischen Risiken und der nicht unerheblichen Volatilität der Kurse im Verhältnis zu klassischen Anlageinstrumenten ist dies ein weiterer Aspekt, den Anleger*innen im Auge behalten sollten. Im Moment scheint es jedenfalls als seien Kryptos eher Problem als Lösung.