In dem gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Versicherungsvertriebs-Richtlinie IDD hat die Regierung festgelegt, dass Makler in Zukunft Verbraucher*innen keine Nettotarife in Verbindung mit Honorarvereinbarungen anbieten dürfen.
Nettotarife sollen in Zukunft nur noch Versicherungsberater vermitteln dürfen, die ausschließlich auf Honorarbasis vergütet werden. Die Begründung dafür ist alles andere als stichhaltig:
„Sollten Vermittler eine Unabhängigkeit suggerierende Honorarvereinbarung mit dem Kunden abschließen können, würde dies den Verbrauchern die Differenzierung zwischen Versicherungsvermittler und Versicherungsberater erschweren. Dies könnte dafür sorgen, dass die im Koalitionsvertrag beabsichtigte Stärkung der Honorarberatung nicht erfolgt.“
Nur vermögende Mandanten profitieren von der Neuregelung
Mit Verlaub: Für wie dumm hält die Regierung eigentlich Verbraucher? Es geht offensichtlich nicht darum, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für alle Verbraucher*innen zu schaffen, sondern lediglich darum, die bisher marginale Berufsgruppe der reinen Honorarberater aufzuwerten, die sich auf eine vermögende Mandantschaft mit hohem Kapitalanlagebedarf spezialisiert haben. Es sind allerdings auch diese vermögenden Kunden und/oder Firmenkunden, sogenannte professionelle oder semiprofessionelle Anleger, die in den Genuss des oben erwähnten Ausnahmetatbestandes kommen, also auch weiterhin von Maklern auf Honorarbasis beraten werden können, weil sie nämlich als sogenannte „Dritte“ gelten, „die nicht Verbraucher sind“.
Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder das Thema in unseren Beratungsprozessen aktiv angesprochen und unseren Mandantinnen und Mandanten ganz bewusst die Möglichkeit eingeräumt, sich bei der Vergütung der Beratung und Vermittlung von Kapitalanlagen und Versicherungen zwischen beiden Vergütungsmodellen zu entscheiden, denn beide haben Vor- aber auch Nachteile. Wir haben in vielen Fällen sogar einen Wechsel der Vergütungsmodalität angeboten, sollte sich am Ende herausstellen, dass eine Vergütung auf Honorarbasis sich als für den oder die Auftraggeber*in günstiger erweisen. Solche Vereinbarungen wären in Zukunft nicht mehr zulässig. Beratung auf Honorarbasis wird dadurch nicht gestärkt, sondern auf eine kleine Berufsgruppe beschränkt.
Marktanteil von Nettotarifen marginal
Honorarberatung und dementsprechend Nettotarife stellen nach einer Untersuchung am Institut für Versicherungswissenschaften der Universität Köln einen äußerst geringen Anteil von 3% am Gesamtmarkt der Lebensversicherungen dar. Bei Kranken- und Sachversicherungen liegt der Anteil bei unter einem Promill (0,1%).
Dementsprechend gering ist die Anzahl der Anbieter, die überhaupt Nettotarife anbieten: Nur etwa jede fünfte Gesellschaft unter den Lebensversicherern und nicht einmal eine von Hundert Sach- oder Krankenversicherern. Makler*innen, mit dem Anspruch, eine ganzheitliche Beratung und Rundumbetreuung anzubieten können ebenfalls nur einen geringfügigen Anteil ihrer Vergütung aus reinem Honorargeschäft bestreiten, wenn sie sich nicht auf wenige vermögende Mandanten spezialisieren wollen. Wird all den Makler*innen, die sich für das Thema geöffnet haben nun ein entsprechendes Angebot verwehrt, so wird es zu einem drastischen Rückgang der Beratung auf Honorarbasis kommen, denn die allerwenigsten werden in der Lage sein komplett auf Honorarberatung umzusteigen und das ist auch gar nicht im Interesse der Verbraucher*innen – denn Honorarberatung hat nicht nur Vorteile.
Verbraucher*inneninteressen stärken statt berufsständische Interessen.
Gestärkt wird mit dem Gesetz zur Umsetzung der IDD-Richtlinie ausschließlich ein marginaler Berufsstand und deren Nutznießer*innen, nicht jedoch die Interessen der Verbraucher*innen. Transparenz in der Kostendarstellung ggfls. notfalls auch Kappungsgrenzen um Provisionsexzesse zu verhindern und Wahlfreiheit der Verbraucher*innen bilden eine sinnvolle Basis für die Stärkung von Verbraucher*inneninteressen, nicht jedoch eine ideologisch motivierte Abgrenzung von Berufsbildern.
Im Interesse von Verbraucher*innen ist es, dass gute Beratung angeboten wird. Dazu gehört eine angemessene Vergütung, die im Einzelfall verhandelbar sein sollte. Dazu ist es viel sinnvoller, das Provisionsabgabeverbot abzuschaffen, welches durch den Gesetzentwurf nun im Gegenteil wieder zementiert werden soll, anstatt die Fiktion von guten und bösen Berufen zu zementieren.
Wenn Sie auch dieser Meinung sind, wenden Sie sich an Ihre/n Abgeordnete/n, bevor der Gesetzentwurf im Sommer verabschiedet wird. Folgender Fahrplan ist vorgesehen:
10.03.2017: Bundesrat, hiernach Gegenäußerung Kabinett
22.03.2017: Kabinett Gegenäußerung
30.03.2017: Bundestag 1. Lesung
22.04.2017: Befassung im Wirtschaftsausschuss (ggf. Anhörungsbeschluss)
17.05.2017: ggf. Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuss
31.05.2017: Befassung im Wirtschaftsausschuss
02.06.2017: Abschluss Gesetzgebungsverfahren (2./3. Lesung im Bundestag)
07.07.2017: Bundesrat