Die Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung wird heute zehn Jahre alt. Ein guter Anlass, das Thema etwas auszuleuchten. Was unterscheidet das Konzept zum Beispiel von der Sozialen oder Öko-sozialen Marktwirtschaft? Eine kleine Einführung
Das Gemeinwohlprinzip ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 14 Absatz 2 festgeschrieben: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Theoretisch gibt es also eine solide rechtliche Basis für ein Wirtschaftssystem, das am Allgemeinwohl orientiert ist. Das Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft begleitet folgerichtig den politischen Diskurs hierzulande seit Gründung der Bundesrepublik.
Zwischenzeitlich hat sich der Diskurs insofern erweitert, als er auch ökologische Aspekte aufgenommen hat. Dies schlägt sich zum Beispiel in der Forderung nieder, Nachhaltigkeitsziele ins Grundgesetz aufzunehmen. Seit einiger Zeit kursiert deshalb auch der Begriff Ökosoziale Marktwirtschaft.
Das macht Sinn, denn funktionierende Ökosysteme sind die Voraussetzung für dauerhafte wirtschaftliche Betätigung und sozialen Zusammenhalt.
Mehr als öko-soziale Marktwirtschaft
Die Gemeinwohl-Ökonomie geht noch einen Schritt weiter: Sie sieht eine Orientierung der Wirtschaft vor, welche Kooperation und Gemeinwesen in den Vordergrund stellt. Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz werden als integrale Bestandteile der Gemeinwohl-Ökonomie bezeichnet. Wettbewerb wird damit nicht grundsätzlich ausgeschlossen oder abgelehnt, jedoch wird das Kooperationsprinzip als zumindest gleichwertiges Element im Wirtschaftsleben zur Geltung gebracht.
Das ist keine weltfremde Träumerei sondern basiert u.a. auf der evolutionsbiologischen und auch sozialhistorischen Erkenntnis, dass Koop-eration sich gegenüber blinder Rücksichtslosigkeit langfristig als vorteilhaft erwiesen hat.
Als wichtiger gestaltender Impuls der Idee gilt der vom österreichischen Publizisten Christian Felber vor zehn Jahren gegründete „Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie“. Dieser feiert nun mit einem Langen Tag der Gemeinwohl-Ökonomie ein glattes Jubiläum.
Die Gemeinwohlbilanz als Instrument
Das vom Verein entwickelte Instrument der Gemeinwohlbilanz gilt als zentrales Instrument zur Transformation der Wirtschaft. Es soll ermitteln welchen Beitrag ein Unternehmen eine Gemeinde oder ein Land zum Gemeinwohl leistet. Als Kriterien werden die bereits genannten Aspekte Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung herangezogen.
Diese werden im Rahmen der Gemeinwohl-Matrix wiederum in Bezug gesetzt zu unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Dazu zählen: Zuliefer*innen, Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen, Mitarbeitende, Kund*innen und Mitunternehmen, sowie das gesamtgesellschaftliche Umfeld.
Die Bilanz eines Unternehmens wird üblicherweise im Rahmen eines externen Auditierungsverfahrens erhoben. Für Kleinunternehmen besteht die Option einer Bewertung im Rahmen eines Peer-Group-Prozesses, bei dem sich die Beteiligten gegenseitig bewerten.
Einem solchen Prozess haben wir in diesem Jahr ebenfalls unterzogen. Sobald das Testat vorliegt werden wir unseren vollständigen Gemeinwohl-Bericht auf unserem Internet-Portal zum Herunterladen bereitstellen.