Wir hatten im vergangenen Jahr das Konzept des Generationenkapitals kritisch kommentiert. Nun soll mit dem Altersvorsorgedepot auch die private Kapitalanlage zusätzlich gefördert werden. Dabei werden vor allem die Chancen risikoreicherer Anlagen betont. Wir sehen beim Altersvorsorge-Depot mehr Risiken als Chancen.
Weniger Garantien – keine Verrentungspflicht – mehr Förderung
Das Modell des Altersvorsorgedepots greift die Kritik an der Riesterrente auf, die wegen ihrer hohen Garantien oft keine Aussicht auf hohe Erträge böte und außerdem zu teuer und zu unflexibel sei.
Das Garantieniveau – bislang 100 Prozent der eingezahlten Beiträge – soll deshalb gesenkt werden. Viel bedeutsamer ist aber, dass der Reformvorschlag die Pflicht zu einer lebenslangen Verrentung abschaffen will. Hat das noch etwas mit Altersvorsorge zu tun? Das neue Produkt soll jedenfalls von einer Ausweitung der staatlichen Förderung bzw. steuerlichen Absetzbarkeit profitieren.
Wie beim Generationenkapital versprechen sich die Initiatoren davon eine Stabilisierung der gesetzlichen Rentenbeiträge. Dabei verweisen sie auf langjährige positive Erfahrungen in Schweden oder den USA. Der Bundesverband Finanzdienstleistungen (AfW) preist das neue Produkt als Beitrag zur Förderung des Wettbewerbs.
Wettbewerbsverzerrung
Wo das Geld für die zusätzliche Förderung herkommen soll, obwohl bereits das Generationenkapital mit Krediten finanziert werden muss, bleibt unklar. Der Bundeshaushalt sprengt bereits die gesetzlichen Grenzen und die Schaffung neue „Sondervermögen“ sind extrem unpopulär.
Aus unserer Sicht viel wichtiger ist aber Folgendes: Die Option zur Anlage eines Depots ohne Verrentungspflicht oder private Fonds-Rentenversicherungen ohne bzw. mit frei wählbaren Garantieniveaus gibt es bereits. Die Angebote müssen gar nicht neu erfunden werden.
Neu ist also lediglich die zusätzliche steuerliche Förderung der reinen Depotanlage ohne jeden kollektiven Risikoausgleich. Diese soll dann mit Altersvorsorgeprodukten konkurrieren, die eine Absicherung von Langlebigkeitsrisiken beinhalten. Letztere werden schon aufgrund ihrer vorsichtigen Kalkulationsgrundlagen und der Sicherstellung eines kollektivem Risikoausgleichs weniger attraktiv erscheinen. Das Finanzportal Finanztip geht noch weiter und konstatiert: „(eine) Versicherungsform des Altersvorsorge-Depots dürfte kaum wettbewerbsfähig sein“.
Deshalb führt das Altersvorsorge-Depot aus unserer Sicht eher zu einer Wettbewerbsverzerrung. Statt einer noch relativ vielfältigen Versicherungswirtschaft mit vielen Vereinen auf Gegenseitigkeit fließt dann immer mehr Kapital in die bereits extrem konzentrierte Welt von Banken und Kapitalanlagegesellschaften. Das einzige Argument der Pseudo-Verbraucherschützer: Depots sind billiger. Was passiert, wenn nach dem Ende des befristeten Auszahlplans aus einem solchen Depot „noch Leben übrig“ ist scheint sie nicht zu interessieren. Hauptsache das Geld fließt in ETF’s. Welche weiteren Risiken damit verbunden sind, blendet Finanztip systematisch aus.
Im Grunde handelt es sich um Etikettenschwindel, denn es geht viel mehr um Vermögensaufbau als um die verlässliche Altersversorgung. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) sieht das genauso und konstatiert: „Die lebenslange Absicherung bleibt mit der Reform auf der Strecke.“
Verborgenes Risiko
Eine maßvolle Senkung von Garantieleistungen lehnt zwar auch der GDV nicht ab. Das mag vor dem Hintergrund der Entwicklung der Aktienmärkte bei gleichzeitig sinkendem Zinsnineau in den letzten Jahrzehnten plausibel erscheinen. Übersehen wird dabei das Einmaleins jeder seriösen Finanzberatung: Entwicklungen der Kapitalmärkte in der Vergangenheit lassen sich grundsätzlich nicht auf die Zukunft projizieren. Immer stärker nehmen schon jetzt die Krisenzeichen an den Finanzmärkten zu.
Dass es böse Überraschungen geben kann hat bereits der schwierige Start des Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) gezeigt. Das wird insbesondere dann zum Problem, wenn der Kapitalstock auch noch auf Kredit finanziert wird. Dass sich Kapitalmarktschwankungen nach bisherigen Erfahrungen langfristig ausgleichen stimmt zwar – dazwischen können aber erhebliche Durststrecken entstehen, die sich über zehn und mehr Jahre erstrecken. Gerade die geburtenstarken Jahrgänge, für die eine zusätzliche Absicherung sinnvoll ist, haben diese Zeit nicht mehr.
Es gibt aber noch ein weiteres kaum thematisiertes Risiko: Zu befürchten ist nämlich, dass der durch die Förderung zusätzlich in Fonds gelenkte Geldfluss zu einer noch stärkeren Blasenbildung an den Kapital-märkten führen wird.
Die US-amerikanische Investmentexpertin Lyn Alden weist auf die bereits bestehende Überbewertung US-amerikanischer Aktien (S&P 500) hin. Diese ist u.a. auch ein Ergebnis der in den USA staatlich geförderten Wertpapiersparpläne (401k).
Spätestens, wenn immer mehr Rentner ihre Anlagen liquidieren müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, dürfte diese anlagegetriebene Bewertungsblase platzen. Das wird einerseits die Kapitalanlagen entwerten und könnte andererseits auch zu einer stärkeren Inflation der Verbraucherpreise führen. Das ist keine hypothetische Entwicklung sondern schlicht demographische Mathematik. Das Altersvorsorge-Depot ist eine tickende Zeitbombe.